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Zum Punk Im Pott mal was Besinnliches. Nachdem Annika aus Kamen als Sängerin der Ropey Shags vor doch so einigen Jahren feinen englischsprachigen Punkrock servierte, ist sie heute mit leiseren Tönen mal solo, mal mit kleinem Aufgebot als Anni Hilation’s Arms zu sehen. Wir haben sie mit unseren vier Fragen belästigt.

1. Wie bist du zum Punk gekommen?
eine chronik in sieben kapiteln.
1. Der anfang mit fünf. faszination für die äußere hülle von punks. mehr kannt ich nicht. mädchentypisch drei barbies meiner schwester frisiert. seiten ab, mitte n stück länger. kleber rein, hochgestellt, bunt gefärbt mit pelikan. Keine ahnung, wo ich das her hatte. gleicher zeitraum, kindergarten: wiederholt ärger bekommen fürs kleber schnüffeln.
2. nächster schritt, sozialkritik. um politik hab ich mich noch nicht gekümmert. zwölf jahre, „viva la muerte“ von slime als gerippte kassette von einer freundin bekommen. erste versuche, songs auf der akustikklampfe nachzuspielen und schon mal sachte mit zu singen. wizo kamen dazu. but alive. die äußere hülle wurd mit inhalt gefüllt. sozialkritik. ich mochte das. später die ersten songs auf englisch mit der „idle gossip“ von den toy dolls. mit 14 fand ich das witzig
3. dann gings erstmal weiter mit der grunge-geschichte. nirvana, pearl jam, n bisschen silverchair. gleichzeitig skatepunk. mit 15 erst mein erstes konzert, SLUP. cowboy und so, fingerkuppenkribbler. venerea warn auch groß dabei. danach immer mal wieder kleine konzerte, aber moderat. meine freunde hatten damit kaum was am hut, da war es mir nicht so selbstverständlich, guten punkrock oder fanzines kennenzulernen.
4. diesen wirklich schönen ende 70er punkrock und ursprünglichen anfang 80er hardcore hab ich erst spät kennen gelernt, durch einen freund. mit 19 oder 20. ab da kam so meine hoch-zeit. das hat mich geflasht. es war so wunderbar hymnisch, mir gings da allein um die musik und das gefühl. zu der zeit las mich in die materie ein und fands mega spannend; ich hab mich wohl gefühlt damit. und tu das immer noch. 3-4 konzerte in der woche, verschiedene länder, squats, alles ziemlich asi. aber immer liebevoll und schön.
5. die politische komponente des punk, die mich zunächst herzlich wenig interessiert hatte, packte mich ebenfalls erst ein jahr nach dem abitur. vor 13 jahren. als ich anti flag im rahmen einer donots show in paris gesehen hatte. ich verstand plötzlich, dass politik nicht nur von anzugträgern in berlin und brüssel gemacht wird, sondern dass meine eigene proaktivität dinge, die mich betreffen, zum positiven verändern kann. das war nun nicht mehr nur die faszination für die ‚andere‘ erscheinung von punks, nicht mehr nur sozialkritik, nicht mehr nur ein gefühl. das war der schlüssel zum interesse an den hintergründen von großer wirtschaftspolitik. ein jahr später stieg ich als sängerin bei den gerade neu formierten ROPEY SHAGS (77er punkrock) ein. zufall. und einige der besten zeiten, die ich hatte.

6. mittlerweile bin ich u.a. sowi-lehrerin und versuche, meine schüler schon früh an proaktives handeln heranzuführen. immer mit dem gedanken im hinterkopf, dass es das war, was sogar mich gekriegt hat. ich möchte selbstständiges denken schärfen. und selbstwirksamkeit vermitteln.
7. heut vestehe ich unter ‚punk‘ nicht mehr die „äußerliche erscheinung“, nicht mehr das „politische instrument“. am ehesten sehe ich ihn noch als „sozialkritik“. aber vor allem empfinde ich ihn als entspannendes lebensgefühl, das ich in worten nicht beschreiben und nie komplett verlieren möchte.

2. Hat das Ruhrgebiet eine bestimmte Bedeutung für dich?
ja. hier bin ich aufgewachsen. kamen liegt am rande des ruhrgebiets, ist eher ruhig und ziemlich idyllisch. aaaaber, hier hält der RE 6. und der RE 1. die zwei bringen einen in nullkommanix überall hin. zu konzerten, freunden, parties. ohne umsteigen. alles ist hier sowas wie um die ecke. als autofahrer darf man sogar ruhig mal den weg verträumen – es gibt nämlich gefühlte 1.000 autobahnausfahrten; die nächste jeweils in rund 2 km. das ruhrgebiet ist zu teilen unfassbar schäbbig und assig in den städten, gleichzeitig wunderschön in seiner natur und kultur. es hängt den großen städten etwas hinterher, was den style betrifft, aber da bin ich ganz froh drum. ich mag den ruhrpottcharme; den rauen und doch gut gemeinten ton von dicken muttis hinterm bäckereitresen, die einer bohnenstange, wie mir, versuchen, die magie der chiasamen und die kohlenhydratarmen vorteile von eiweißbrot zu erklären. ich mag schmalzstullen zu bier und herzliche ehrlichkeit von wirten in altmännerkneipen und so. gleichzeitig raubt es mir den verstand, so viel bitterness zu sehen, oft zu hören. oft bei älteren menschen. im ruhrgebiet scheint mir der altersstarrsinn weit verbreitet, deutlich mehr als etwa im norden. aber, deutlich weniger als im süden. mein ich. besonders im winter scheint es grau. aber die sonne hüllt es immer wieder in bunte, kräftige und lebhafte farben. das ist schön.

3. Verbindet Punk und Ruhrgebiet irgendetwas?
ja, für mich allein in so fern, als dass ganz viele läden in ganz vielen städten des ruhrgebiets richtig gute punkkonzerte veranstalten. im grunde sind es immer die gleichen pappenheimer, die man dann trifft, das find ich aber ganz großartig. könnten allerdings, grad auch bei neueren bands, ein paar mehr sein.
was verbindet punk und ruhrgebiet. was bedeutet punk und was bedeutet ruhrgebiet. und was davon überschneidet sich. öööh… brainstorming. dreckig, laut, unangepasst, kritisch, ehrlich, stumpf, bunt, sozial/asozial, provozierend, hedonistisch, rebellisch, nihilistisch, frisurenperfektionismus, eitelkeit, angeblich arbeiter, dilettantisch, herzensgut,… Joa. gibt verbindungen 🙂

4. Was ist für dich der “punkigste” Ort im Ruhrgebiet?
ich mag das wageni. auch wenn ich dort lang nicht mehr war, fand ich die atmosphäre dort immer gut. miniklein, oll, leckeres veganes essen, angemessene preise, top bandauswahl, sowas wien garten  vor nem fenster mit stufen als eingang, gute menschen. sonst fällt mir nicht so richtig mehr was ein. damit will ich aber nicht sagen, dass es sonst nichts gibt. clubs, die meiner meinung nach nicht so ‚punkig‘ sind, find ich ja trotzdem toll.

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