In den 90ern war die Stockumer Schule noch ein zwar abseits gelegener, aber in Sachen linker Subkultur auch für Ruhrgebietler hochrelevanter Veranstaltungsort in Voerde am Niederrhein. Dort gabs ja zwischenzeitlich auch mal das Index bzw. das Stone Voerde. Alles leider irgendwie ausgeblutet.

Womöglich geht bald wieder mehr: Die Stockumer Schule ist seit einer Weile wieder hergerichtet und soll wieder zu altem Ruhm zurückkehren. Am 27.4. laufen beim 4. Volkstümlichen Festival der Punkmusik The Booze Brothers und Kotzreiz auf. Trustgod Simon, Kreftich und Joobst bilden die niederrheinische Fraktion.

Ein schlapper Fußweg von 20 Minuten ist vom Bahnhof Voerde zurückzulegen. Da kann also noch das ein oder andere Pils gezischt werden.

Massig Infos über die Geschichte der Stockumer Schule gibt es übrigens in Helge Schreibers Buch „Network of Friends. Hardcore-Punk der 80er in Europa“, das wir nochmal wämstens empfehlen.

„Das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder“, so verkündet es das Plakat zum „Strukturwandel-Festival“: Die „heilige“ Dreifaltigkeit des Ruhrpottprollpunk, bestehend aus Eisenpimmel, den Lokalmatadoren und den Kassierern auf einer Bühne. Ausgerechnet in Oschatz irgendwo hinter Leipzig fand dieses Großereignis am 10.3. statt. Für Leute ausm Pott gabs insgesamt drei Busse: ein gelber für die Bands und zwei weitere für den gemeinen Pöbel. Wer es wirklich ernst meinte, griff zum VIP-Ticket und durfte im Bus der Band mitfahren, der natürlich stets voran fuhr. Gerüchteweise haben sich tatsächlich auch vier Leute zu der 40 Euro teureren Variante hinreißen lassen.

Von Duisburg nach Oschatz

Wir kamen so gegen 9 Uhr in Duisburg an, wo wir mit 5-6 weiteren Mitstreitern auf die Busse und die restlichen Verrückten warteten. Nach dem zweiten Bier trafen dann auch nach und nach die Bands sowie die Busse ein, so dass es gegen 10 Uhr dann endlich losgehen konnte. Von Duisburg ging es dann nach Essen, wo die restlichen Bandmitglieder und weitere Mitfahrer eingesammelt wurden – auch die erste Pinkelmöglichkeit, stilecht an der A40, wurde genutzt. Weiter ging es dann mit Tempo 100 über holprige Autobahnen und Bundestrassen bis hinter Dortmund und spätestens hier wurde jede Bodenwelle für die Blasenschwachen zur Tortur. Die ersten zaghaften Versuche in irgendwelche Becher oder Flaschen zu pinkeln wurden allerdings schnell wieder aufgegeben, als der Bus endlich – nach gefühlten 14 Stunden – den heiß ersehnten Rastplatz gegen 11 Uhr anfuhr. Bereits hier kamen erste Zweifel auf, ob bei dieser Pinkelfrequenz das immerhin gut 500km entfernte Ziel noch in dieser Woche zu erreichen sein würde. Außerdem erfahren wir aus erster Hand, dass die Stimmung im VIP-Bus wohl noch nicht so am Kochen ist. Zudem gab’s wohl eine nette kleine Ansprache von Wölfi. In unserem Bus kreisten jedenfalls nach dieser ersten Pause neben Bier auch die Schnapsflaschen, was auch den Pinkeldrang zumindest ein bisschen linderte. Spätestens beim zweiten Stop der Fahrt mauserte sich dann auch der heimliche Star der Tour heraus: dieser nette Bochumer Lokalpolitiker der CDU zur Linken dürfte jetzt wohl auf jedem zweiten Rastplatz zwischen Ruhrpott und Oschatz zu sehen sein – und die ganze Werbung gibts umsonst liebe Christdemokraten!

Angekommen in Oschatz

Viele Bier und einige Schnäpse später, erreichten wir mit zweistündiger Verspätung gegen 19 Uhr endlich das Ziel der Reise und wurden direkt vor dem E-Werk in Oschatz abgesetzt, wo schon eine beachtliche Menge an Leuten aus allen Teilen Deutschlands versammelt war. (Diese zwei Stunden sollten zu späterer Stunde noch Bedeutung erlangen – dazu weiter unten mehr.) Persönlich haben wir einen ganzen Haufen Münchner, die ihren Weg per Bahn mit 3-4 Zugwechseln nach Oschatz gefunden haben, einige Berliner und einige Hamburger getroffen. Sogar ein weltberühmter Ami hat den Weg in die ostdeutsche Provinz gefunden. Ob Flash auf seinem weiten Weg auch so viele Pinkelpausen gemacht hat? Wer weiß, betrunken genug war er jedenfalls und dabei auch stets an gefühlten 10 Orten gleichzeitig – Flash Gordon eben! Links sehen wir ihn mal bei Eisenpimmel auf der Bühne.

Eisenpimmel gewannen übrigens noch vor ihrem Gig Sympathiepünktchen – Shirts sowie die neu aufgelegen Picture LPs – alles für nen Zehner zu haben – so gehört dat! Schön auch, dass sich die Getränkepreise im Rahmen hielten (2,50 für 0,4 Liter Bier) und wer das nicht mehr runter kriegte, bekam die gleiche Menge Gin Tonic für 3,50. Wer gar kein Geld hatte, sammelte einfach die zahlreichen Becher vom Boden auf, die (alle mit nem Euro Pfand) zur eigenen Währung wurden. „Drei Bier und einen Gin Tonic“ Nach 2 Minuten Rechnerei: „Macht 5,50“ YEAH! Aber auch ganz ohne Geld und Becher kam man ganz gut zurecht. So gabs von einem äußerst netten Oschatzer (an dieser Stelle nen schönen Gruß an dich!) mit dem Hinweis „Hier, mein Solibeitrag“ nen frisch gezapften Becher Pils in die Hand – da sagt man nicht nein, und das Shirt mit Förderturm-Aufdruck wird beim nächsten Besuch im wilden Osten sicher wieder mitgenommen, um noch mehr Soli abzukassieren.

Bands haben auch gespielt

Drei Konzerte gabs freilich auch, aber wir versuchen gar nicht erst dieses Tollhaus in große Worte zu fassen. Schon bei Eisenpimmel versank die Halle in einem Meer aus Bier und einem Berg von Menschen. Uns hat ein selten ein Konzert schlichtweg soviel Spaß gemacht. Sogar ne Polonäse macht ausserhalb spiessiger Karnevalsveranstaltungen Spaß! Eisenpimmel haben übrigens wohl doch mehr gespielt als nur die Hits von der „Sexmaschinen tanken super“ und „Füße hoch, Fernsehen an, Arschlecken“ (Playlist). Nur erinnern können wir uns nicht mehr sooo gut.

Nachdem Eisenpimmel also gut eingeheizt hatten, konnten die Lokalmatadore die Stimmung natürlich hervorragend aufnehmen. Dieses Foto vom Spiller spricht für sich.

Die Kassierer machten den Höhepunkt des Abends, verzichteten aber leider auf die bekannte Nummer mit Handschuh. Dafür gabs mal dieses Schauspiel. Zum Ende tanzte dann leider nur Eisenpimmel-Bärbel noch kurz mitm Wölfi. Da hätte man sich doch zur Feier des Tages ein gemeinsames Ständchen aller drei Bands gewünscht.

Um halb zwei war dann auch Schluss. Wir verzogen uns vor die Tür um frische Luft zu schnappen und die 1,5 Stunden auf den Bus zu warten. In meinem alkoholgetränkten Hirn verwechselte ich gegen 3 Uhr einen Bus nach Finsterwalde mit unserem, rannte noch hinterher und wurde von nem netten Punk in den Bus gezogen nur um festzustellen, dass weder der Bus, noch irgendeine Person in selbigem auch nur annähernd Ähnlichkeit mit dem der Hinfahrt aufwies. Nach vier Metern Fahrt sprang ich dann – sehr zum Amüsement aller Anwesenden – wieder raus. Nun gut, unser Bus musste ja nun auch bald mal kommen – dachten wir zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch. Doch der Schuss in den Ofen kam natürlich noch: Durch die verspätete Ankunft fuhr der Bus statt um drei erst gegen fünf. Das erfuhren wir gegen halb vier vom schlafenden Busfahrer nach so 2,5 Stunden in der Kälte. Wir müssen dazu sagen, dass wir so ziemlich die einzigen Blöden waren, die davon nix mitbekommen hatten. Die meisten anderen schliefen derweil entspannt auf der Bühne. Wie auch immer: nach der Info, dass die Busse erst um 4 Uhr ihre Pforten öffnen würden, konnten wir uns immerhin nochmal ein halbes Stündchen in eine Kneipe verkrümeln, und bei der Gelegenheit auch gleich mal Oschatz bei Nacht inspizieren. Da kommt man nicht oft zu!

Gegen fünf gings dann endlich zurück. Der Enthusiasmus im Bus hatte mittlerweile deutlich nachgelassen und auch bei den Pinkelpausen drängelte niemand mehr zur Bustür. Es wurde geschlafen, müde gelabert oder auch mal ein Wasser getrunken. Nach einer Stunde Fahrt will auch bei uns das Bier nicht mehr so Recht, und der für diesen Fall vorgesehene Gin Tonic ging auch nur noch mit größtem Widerwillen die Speiseröhre runner. Den Rest der Fahrt begingen wir also mit schlafen und gelegentlichem gegenseitigen ans Bein Furzen.

Back im Pott

Um 12 Uhr strandeten wir wieder in Essen – für diese Tour in einem erstaunlich guten Zustand, sogar die gekaufte LP hats überlebt. Eine kurze Verabschiedung und alle stiegen in ihre Züge Richtung Heimat.

Was bleibt? Eine sicher einzigartige Asitour, die wir in genau dieser Konstellation gerne noch mal buchen würden!! Ein großes „Danke und Prost“ also auch von uns an alle Mitfahrer, die Organisatoren, die Bands und natürlich auch die Leute vom E-Werk vor Ort in Oschatz – war ne rundum geile Sache! Hoffen wir also mal, dass es vielleicht doch nochmal wieder kommt.

Für uns bleibt nur noch eins zu sagen: OOOOOOOOOOOOOHOOOOHOOOOO Prollmops – und das auf Repeat!

 

Anm.: Dummerweise ist nach Eisenpimmel die Kamera runtergefallen – Objektivschaden. Die Bilder im Anhang gehen im Großen und Ganzen also nur bis zu den Lokalmatadoren. Naja, bisschen Schwund ist immer!

Noch ein kleiner Tipp für Mittwoch Abend: Das Onlinefanzine mit dem barocken Layout Bierschinken aus Dortmund lädt morgen zum dritten Mini-Festival „Bierschinken eats FZW„. In der Foyerbühne geht es noch etwas ruhiger zu, Cowboy Poetry aus Trier machen Akustik-Punk, wie auch immer das klingen wird. Glass Promises und Vorstadtkinder kommen aus dem Ruhrgebiet, machen aber keinen Punk. Den gibts dafür unten im kleinen Club: Hier kann man sich vor allem auf Tony Gorilla freuen. Außerdem halten Kickstern die Ruhrgebietsfahne hoch. Dampfmaschine aus Osnabrück und Stand Fast aus Münster komplettieren die Runde. Die ganze Sause gibts für schlanke drei Euro.

Heute haben wir mit Stefan Matthäus alias Wolverine einen der Macher von Punkrockers Radio in Bochum getroffen. Das Radio hat zwar im Programm keinen Schwerpunkt auf dem Ruhrgebiet, die Macher sitzen gar quer verstreut über Deutschland. NRW hat sich aber als kleiner Schwerpunkt heraus gebildet, und von den Machern aus NRW kommen wieder zwei aus dem Ruhrgebiet. Uns interessiert außerdem das Thema Punk und Radio sehr. Und da wir nicht zuletzt den Sender auch gern hören, erhielt er das Prädikat „Relevant“ und besagten Besuch von uns.

Mit bloßen Fakten wollen wir hier gar nicht allzulang langweilen, aber euch immerhin ein paar wichtige Daten an die Hand geben:

1. Die nächste redaktionelle Sendung gibts am Mittwoch 7.3. mit der Plattenküche #17 eben mit Dj Wolverine. Los gehts um 21 Uhr.

2. Am Mittwoch den 11.4. lesen Alex Gräbeldinger (bestens bekannt ausm Ox), Mika Reckinnen und Lustiger Bob unter dem Titel „Alles Kaputtlesen“ in der Goldkante. Punkrockers Radio streamt die Lesung ins Netz und legt nacher mit den Vorlesern auch noch in der Goldkante auf.

3. Am 14.4. feiert Punkrockers Radio 10-jähriges Bestehen. Mittelpunkt der Festivitäten ist das Mini-Festival in der Rotunde. Fest gebucht sind die Eastie Ro!s aus Berlin, Skankshot aus Hamburg und mit Northern Beach aus Bochum und So What! aus Bottrop (neue Platte frisch erschienen bei RilRec) auch zwei wohlbekannte Bands aus dem Ruhrgebiet.

Zepp Oberpichler

Und weiter ging es mit unserer lustigen Talkreihe: Nach Helge am Samstag in Oberhausen ging es Dienstag zu Zepp Oberpichler nach Duisburg. Hier vor allem interessant: Seine Band Jimmy Keith & His Shocky Horrors (kurze Eindrücke von ihrem Gig im Djäzz haben wir hier) mit Tom Tonk als Sänger, den wir ja ebenfalls schon getroffen haben.

Ansonsten ging es natürlich um Zepps Punkgeschichte und seine Arbeit als Schriftsteller. Zuletzt erschien sein Roman „Gitarrenblut„. Da geht es nicht ausschließlich um Punk, sondern die Geschichte ist allgemein ein schönes Zeugnis davon, was es heißt, im Ruhrgebiet Subkulturen für sich zu entdecken.

Wir wollen die Gelegenheit nutzen, um mal einen Fragebogen zu präsentieren, mit dem wir fast alle unsere Gesprächspartner nerven und von denen vermutlich der ein oder andere später im Buch zu finden sein wird.

1. Wie bist du zum Punk gekommen?
Durch die Saints-Platte „I’m Stranded“. Im Fernsehen und in der Zeitung hatte man schonmal was über Punk gesehen oder gelesen. Da kam man Ende der 70er nicht dran vorbei, weil es unterschwellig schon ein Thema war. Aber wirklich überzeugt hatte Punk mich erst, als ich mir diese erste Platte gekauft hatte und zeitgleich The Damned mit „Machine Gun Etiquette“.

2. Hat das Ruhrgebiet eine bestimmte Bedeutung für dich?
Das Ruhrgebiet ist die Region, in der ich zu Hause bin und in der ich mich einigermaßen auskenne. Ich bin hier geboren und definitiv Ruhrgebietler. Ich bin ja nicht ohne Grund noch hier. Ich fühle mich hier wohl und mag vor allem die Ruhrgebietler. Das fällt mir immer wieder auf, wenn ich woanders bin. Ich mag auch den Schwarzwald, könnte da aber glaube ich nicht leben, weil die Leute ganz anders ticken und mit meinem Pulsschlag gar nicht zurecht kommen.

3. Verbindet Punk und Ruhrgebiet irgendetwas?
Ich weiß nicht, ob man das eine Verbindung nennen kann, aber viel Punk ist im Ruhrgebiet entstanden und hat hier stattgefunden. Ende der 80er, Anfang der 90er war Punk im Ruhrgebiet ein Begriff. Genauso wie Metal und Ruhrgebiet zusammen gehören, gehört auch Punk zum Ruhrgebiet. Vielleicht weil es eine industriell geprägte Region ist und man hier geraderaus sagt, was man meint. Wenn einer Jemandem doof kommt, dann kriegt der einen passenden Spruch. Das ist eine direkte Angelegenheit und das ist der Punk auch. Punk und Ruhrgebiet passt deshalb eher zusammen als Punk und Land.

4. Was ist für dich der „punkigste“ Ort im Ruhrgebiet?
Ich find die Fabrik in Neudorf war 1992 ein ziemlich punkiger Ort – aber das Eschhaus 1982 auch.