Mit Rasender Stillstand hatten wir uns seinerzeit auch schon wegen unserem Punk im Ruhrgebiet Buch getroffen. Die lose Plauderei im Rahmen vom Bierschinken eats FZW wollten wir unbedingt nochmal vertiefen, was wir nun auch endlich mal getan haben. Treffen in Dortmund war schwierig, deswegen haben wir der Band unsere Fragen per Mail geschickt, die Band hat sich beim Proben ausgetauscht und Rodger die Antworten schließlich in Form gegossen. Los gehts:
Mir gefällt, dass der Titel zwei Sachen aufgreift, die im Punk wichtig sind. Man kann auf und vor der Bühne ausrasten, oder weil einen bestimmte Zustände zum Ausrasten bringen. Welcher Punkt ist euch wichtiger?
„Ausrasten“ ist ein stark emotionaler Zustand. Quasi weiße Blitze im Kopf kriegen gekoppelt mit dem Bedürfnis, wild um sich schießen zu wollen! Im Übrigen, wer dieses Gefühl noch nie verspürt hat, sollte sich vielleicht mal ganz dringend selbst hinterfragen! Zu der Frage: Exakt neutral ausgedrückt: Der Zweite Punkt!
Ich finde euren Sound ziemlich einmalig. Manchmal glaube ich so Wavepunkanleihen zu hören, ich höre Hardcore, Punk. Im Großen und Ganzen klingt ihr ziemlich verrückt. Wie würdet ihr euch selber beschreiben?
Punk und Hardcore sind nicht nur musikalisch unsere Wurzeln und schwingen wohl immer bei uns mit. „Wavepunkanleihe“ ist als Begriff eindeutig falsch, zeichnet er doch eine Rückblende, die so nie existiert hat. Viele waschechte Punkbands von Mitte der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre klingen aus heutiger Sicht seicht bzw. poppig (was sie damals nicht waren). Erst die Musikindustrie kreierte aus den weniger militant agierenden Bands, die eingängiger waren und von daher in der Breite besser zu vermarktenden waren, den Begriff „(New) Wave“ Musik (bekanntestes Beispiel sind da „The Cure“). Es gab diese Begrenzungen einfach nicht im Ursprung und zurück zu uns warum sollten wir damit anfangen. Wer gibt uns das Diktat vor z.B. in einem AZ, wo es doch so meinen wir uns erinnern zu können um „Freiheit“ geht, uns vergleichsweise zu anderen Bands, für unseren zu unangepassten „Punk“ zu kritisieren!!! Das macht keinen Sinn! Also wir machen die Mucke so wie sie aus uns kommt und das entsteht oft aus unterschiedlichsten Beweggründen, mit den sehr im Ausdruck variierenden Songs die dabei entstehen. Insofern gab es bei uns bis dato auch kein sogenanntes Konzeptalbum…
Verrückt? In einer verrückten Welt braucht man einfach auch eine gewisse Portion Wahnsinn um sich selbst zu schützen vor der grassierenden Oberflächlichkeit, Ablenkung, Gleichgültigkeit, Zwanghaftigkeit, geistiger Abschaltung und der daraus resultierenden sabbernden Überheblichkeit, Inhaltslosigkeit, kranker Konkurrenztriebhaftigkeit, kalter Berechnung, innerer Leere, Isolation und stumpfer Gewalt!
Ihr positioniert euch in den Texten politisch eindeutig links. Wie wichtig findet ihr das im Punkbereich?
Wer erklärt uns denn jetzt mal bitte schön jenseits vom Verfassungsschutz was „eindeutig links“ ist! Darüber hinaus, wenn wir mit einer Aussage wie „Die westlichen Demokratien bestehen mehr und mehr nur noch aus wirtschaftlichen Machtkartellen mit dem einzigen Ziel der Maximierung ihrer Profite, wogegen Menschenrechte und das Völkerrecht von ihnen nur noch als ausgehöhlte Phrase hervorgeholt werden, um geostrategisch ab und an sich moralisch über andere „Konkurrenzsysteme“ stellen zu können!“ eindeutig links ist, dann sind wir wohl an dieser Stelle eindeutig links. Ansonsten erleben wir in unserem Umfeld „eindeutig links“ oft als Mystifizierung einer Zeit in dem in Deutschland mal 100-tausende von Menschen auf die Straßen gegangen sind, in dem festen Glauben von unten etwas bewegen zu können, wie z.B. die Verhinderung des Baus von Atomkraftwerken. Waren die schlagartig auch alle eindeutig links?! War Sophie Scholl wie beim Verhör vor ihren Schlächtern selbst angegeben „eindeutig unpolitisch“? Bullshit!!! Wir versuchen wie viele andere um uns herum auch, sich möglichst gegenseitig zu unterstützen, in einer komplexen und komplizierten Welt nicht den Kopf zu verlieren, nicht zu resignieren, trotz der globalen Perspektivlosigkeit, des Ausverkaufs und Zerstörungswut der „Reichen, Fiesen Fetten“, bereit zu sein zu kämpfen, die notwendigen (oft ganz unspektakulären) Schlachten des Alltags zu meistern und davon die eine oder andere auch mal zu gewinnen, sich natürlich gesellschaftlich einzumischen und zu positionieren, da wo man was ändern kann und vor allem die Leute zusammenzuhalten, egal wer jetzt Veganer ist oder nicht, wer gerade welches Land auch immer boykottiert oder nicht, oder einfach da wo es geht zu helfen, wenn einer schlicht und ergreifend gerade nicht mehr klarkommt. Muss man um das zu tun eindeutig links sein? Jenseits dieser humorlosen, verlogenen und auch falschen links- rechts, schwarz – weiß, und richtig und falsch Schablonen haben wir diese Haltung, die aus unserer Sicht für jeden Punk eigentlich selbstverständlich sein sollte: Wir bestehen alle aus Fleisch und Blut und sind Menschen. Wir sollten schauen wie wir die Feindbilder aus den Köpfen einiger Idioten herausbekommen und vor allem nicht den Fehler machen, in den gleichen düsteren Welten zu ertrinken, sich gerade als Punk von fremdbestimmten Menschen oder Gruppen, die voll sind von Hass und Vernichtungsfantasien gegen andere, so wie es z.B. Rassisten, religiöse Fanatiker u.a. tun, zu unterscheiden.
Das Ruhrgebiet hat ja generell die ein oder andere auffällige Punkband hervorgebracht. Wie erlebt ihr die Szene im Ruhrgebiet?
Die Szene im Ruhrgebiet hat im Gegensatz zu den ganz großen Punk-Szene-Städten wie Hamburg und Berlin nie die großen auffälligen Bands hervorbringen können, es sei denn Du sagst uns Mönchengladbach liegt im Ruhrgebiet! 😉 Dennoch gab und gibt es sehr viele unterschiedliche auffällige Bands mit einem sicherlich auch eigenen Ruhrgebietsspezifischen Charakter. Dazu einen Buchtipp: Mit Schmackes „Punk im Ruhrgebiet“. (Anm. d. Red. ;-))
Ist das Ruhrgebiet ein gutes Pflaster für Punkbands?
Trotz des Drucks und starken Existenzkampfes der Kulturzentren, AZ oder auch kommerziell geführten Punk Live-Gig Locations bietet das Ruhrgebiet für Punkbands im Vergleich zu vielen anderen Regionen Deutschlands immer noch recht viele und interessante Auftrittsorte für Punkbands. Das Ruhrgebiet ist zwar weit weg von einem wilden „Punkhausen“, im Vergleich aber durchaus noch ein gutes Pflaster für Punkbands vom winzigen DIY „Wohnzimmerauftritt“ kleiner global agierender Punkbands bis zu „Punk im Pott“ als größter Veranstaltungsort. Hier noch eine kleine Anmerkung an die Bands die im Ruhrpott spielen: Bitte schaut genau hin wo ihr seid. In den Läden sind fast immer Leute die total viel Engagement, Herzblut, eigenes Geld und/oder unbezahlte Arbeit darein stecken Euch einen tollen Auftritt zu ermöglichen. Wir erleben das leider manchmal, das Bands mit diesen „kleinen Helden“ gerne mal von oben herab, wie mit Dienstleistern im Niedriglohnsektor oder Pagen im Luxushotel umgehen! Also, egal wie kosmisch ihr Euch fühlt oder wie cool oder aufgeregt ihr auch seid: take care for the people in the back!!!
„Stadt-Rebellion“ kennen wir schon von eurer vorherigen Platte „Wenn einzelne nicht zählen“. Warum wolltet ihr den Song noch einmal neu aufnehmen?
„Stadt-Rebellion“ ist wie wir bei unseren Live-Gigs festgestellt haben ein Song, der sowohl musikalisch als auch textlich die „Punk-Seele“ sehr gut trifft. Wir haben den Song auf unserem aktuellen Album noch mal neu eingespielt, weil wir einerseits davon überzeugt sind, das er in der neuen Version noch besser abgeht, zum anderen haben wir unsere vorherigen Alben in sehr kleiner Auflage erstellt und möchten nun den Leuten die diese Alben nicht kennen, die Möglichkeit geben, diesen Song neu kennenzulernen.
Eure Platte habt ihr über Rast-Records veröffentlicht. Ich unterstelle mal, dass heißt, ihr habt das alles selbst in der Hand. Wo seht ihr die Vorteile und die Grenzen des Machbaren in Sachen DIY?
Die Sache mit RaSt-Records hat tatsächlich in erster Hinsicht den Hintergrund, das wir wie von Dir „unterstellt“ in gewisser Weise auch ein klein wenig stolz darauf sind in 4 Jahren „Rasender Stillstand“ das Heft des Handelns komplett in eigener Hand behalten zu haben und damit zumindest was unsere Vorstellung von „Punk“ entspricht authentisch geblieben sind. Der Preis dafür liegt sicherlich in einem viel höheren Aufwand in allen möglichen Dingen, die für einen Außenstehenden nicht so sichtbar werden. Ein gutes Beispiel sind zum Beispiel unsere ersten beiden Alben die (von außen dafür hochgelobt) komplett selber zusammengebastelt sind. Wenn Du zur Fertigstellung eines solchen Exemplars alles in allem 60 Minuten brauchst, fragst Du Dich schon manchmal, bei allem anderen Sachen die sonst noch so anfallen, ob Du nicht total einen an der Klatsche hast. Die ersten 30 Stück zu basteln hat sicherlich noch was mit Spaß und Kreativität zu tun, danach kommst Du Dir eher vor wie der Nachtarbeiter am Fließband. Der andere Nachteil von DIY ist sicherlich, das es ungleich schwieriger ist Dich als Band nach vorne zu bringen, als wenn Du ein (engagiertes!) Label, Plattenfirma, Booker etc. hast, die Dir (vermeintlich) große Auftritte besorgen, Deine Platten oder CD’s vertreiben, Dich über Videos promoten und Du schlagartig ein viel größeres Publikum erreichen kannst. Der Preis hierfür ist allerdings meistens eine immer größere Fremdbestimmung bzw. auch Entfremdung von Deinen eigentlichen Zielen hin zu einer Ebene, auf der es immer mehr nur um das Funktionieren, dem Entsprechen geht, oft einhergehend mit dem Zerfall der Band als einst Basis-Demokratische Einheit mit gleichen Interessen, Kreativität und unangepasster Individualität.
Letzte Frage: Punkkonzert für mehr als 5 Euro. Ja oder Nein?
Absurde Frage! Für die erfolgreiche Realisierung eines Punk-Konzertes spielen viele Faktoren eine Rolle. Brauchst Du zum Beispiel eine gute PA für den Gig, liegst Du mit einer Schnäppchen-Anlage schon bei € 800,-.
Die allein musst du durch Eintrittsgelder oft auf Risiko erst mal einspielen. Dazu können kommen: Anmietung einer Location, Bühne, Instrumentenbackline, Reisekosten, Genehmigungen, Strom, Hands Tontechniker ggfs Lichttechniker, Logistik, Gema, Werbung, Catering, Gagen, Reiskosten, Unterbringung, Reinigung, etc.
Natürlich kannst Du in einem AZ mit vorhandener Logistik ein Konzert für € 5,- durchziehen, oder auch ein komplett kostenfreies „umsonst & draußen“ Ding organisieren.
Das geht aber immer auf die Knochen von vielen freiwilligen und idealistischen Helferzellen die alles umsonst machen und das halten nicht viele Hands/ Macher ihr Leben lang durch ohne Bezahlung sich ständig richtig den Arsch aufzureißen!!!. Auf der anderen Seite finden wir es erbärmlich wie manche Bands durch Europa trampen, ohne zu wissen, ob es was zu essen gibt, ob es Pennplätze irgendwo gibt oder ob es vielleicht ein paar Euronen auf die blanke Tasche gibt, um dann am Rande ihres eigenen Konzertes noch Leute auf Kohle anschnorren zu müssen! Viele Besucher von Punk-Konzerten geben ihr Geld für den letzten Mist aus, aber bei der Punk-Band XY holen sie die „No Profit“ bzw. „Punk darf nichts kosten“ -Keule raus! Um sich anschließend über die Doppelmoral der Spießer zu ereifern! Unser klares Statement dazu: Ja, Punkkonzerte dürfen definitiv mehr als € 5,- kosten!!!
Die neue Platte von Rasender Stillstand heißt „Ausrasten“. Sie ist toll und u.a. über die Website zu bekommen.
http://www.rasender-stillstand.de/index.html
14.6. Langer August, Dortmund
5.7. Freibad, Bochum
16.8. Panic Room, Essen