Astairre_Promo1Unser Bottroper Gastautor André (im Buch mit einem Beitrag über die Upright Citizens) schwärmte immer schon von der Bottrop-grounded Band Astairre in den allerhöchsten Tönen und womöglich wäre sie auch Thema in unserem Buch über Punk im Ruhrgebiet vertreten, wenn sie nicht zwischenzeitlich nach Köln umgesiedelt wäre und mangels Veröffentlichungen seinerzeit nicht auch unbedingt ein aktuelles Thema waren, was ja nun erklärtermaßen ein gewisses Kriterium für unsere Auswahl war. Umso erfreuter stellten wir fest, dass Astairre eine tolle neue EP am Start haben, André gefragt, wo man seine Bottroper Buddys am besten erreicht, Fragen gestellt und von Schlagzeuger Max Antworten zwischen Grugahalle und Muttis Garten bekommen. Unsere Review zur EP gibts oben drauf unten drunter.

1.  Wie bist du zum Punk gekommen?

Max: Das ist ziemlich einfach erzählt: Es war 1995, Grugahalle in Essen, es spielten Die Ärzte als Headliner und WIZO als Vorgruppe. Kurze Zeit später kaufte ich mir die „Herrenhandtasche“ von WIZO und bekam von meinem Stiefbruder ein Tape mit ihren ersten beiden Alben, da war’s um mich geschehen. Die Wildheit, ihre inhaltliche Unangepasstheit und die musikalische Energie, die das transportierte, haben mich direkt angesprochen und fasziniert.

2. Hat das Ruhrgebiet eine bestimmte Bedeutung für dich?

Klar doch! Wenn mein „Heimat“-Begriff irgendwie an einen Raum gebunden ist, dann sicherlich an das Ruhrgebiet. Dort bin ich aufgewachsen, von dort kommen meine ältesten Freunde und auch wir als Band. Die Mentalität und Sprache des Potts liegt uns persönlich nahe: offen, direkt und rau — hart aber herzlich.

3. Verbindet Punk und Ruhrgebiet irgendetwas?

Das Ruhrgebiet hat einige tolle Punkrock-Bands hervor gebracht, wie  die Upright Citizens, Pills Angels und So What?!. Oder, um mal ein aktuelles Beispiel zu nennen: die grandiosen Kaput Krauts, mit Ausnahme ihres neuen Bassisten, stammen auch alle aus dem Ruhrpott. Insofern gab es immer, besonders im Dreieck Essen-Bochum-Dortmund, aber auch in anderen, kleineren Städten, wie beispielsweise Oberhausen durch das Druckluft, eine lebendige Szene.

4. Was ist der punkigste Ort im Ruhrgebiet?

Das hängt natürlich jetzt mal wieder sehr von der vielseitig diskutierten Definition von Punk ab; aber wenn man darunter den Ort versteht, wo Punkrock in seiner sozio-kulturellen Form, auch was das Umfeld anbelangt, am meisten stattfindet, dann ist es wohl das AZ Mülheim. Ansonsten die Terrasse meiner Mutter.

 

Es ist echt irre, also nicht Astairre, sondern wirklich irre: Der Sound von Astairre (nunmehr angesiedelt in Köln) passt wirklich nicht mehr so recht ins Ruhrgebiet. Spielt die Umgebung wirklich so massiv in die Songs hinein oder bilde ich mir das nur ein? Ist das dann eher so Köln-Punk? Jedenfalls ist das ingesamt ein bisschen mehr zum Nachdenken und die Jungs sind auch als Typen sehr viel gepflegter als der gemeine Ruhrpunk. Im Opener „Ich hasse meine Freunde“ knarzt es jedenfalls ordentlich, ich bin nicht gut im Akkorde zählen, aber keine Ahnung, warum der Fö das hier nicht als Punk ansieht. Starker Song! Das gibt aber nicht die Linie für die EP vor, die zum Beispiel in „Cavern Club“ musikalisch auch sehr viel ruhigere Töne anschlägt und über die fünf Songs musikalisch die volle Bandbreite dazwischen ausspielt. Sie verarbeitet inhatlich all das, was einen nachdenklich machen kann, und musikalisch, wie man damit so umgehen kann. Melancholie, Wut und all den feinen Nuancen dazwischen. Mit „Solange wir noch funktionieren“ ist Astairre eine musikalisch sehr schön abwechslungsreiche und inhaltlich nachdenkliche EP gelungen. Dabei klingt die Platte Punk sei Dank nicht überproduziert, so dass auch die ruhigeren Songs eine kernige Proberaumathmospäre ausstrahlen.

Live:

15.7. Bochum Total, Bochum
13.8. Olgas Rock, Oberhausen

 

Astairre bei Facebook

Astairre Feature bei Bierschinken in Bierschinken-Qualität

Letztens bei einigen Bierchen (und einen Gratis-Schnaps) im Intershop fragte sich der Autor dieser Zeilen, warum es eigentlich nie Zwakkelmann-Vinyl gibt, noch mehr: Warum Zwakkelmann-CD so fest mit einander verbunden ist, dass sich Zwakkelmann-Vinyl, Zwakkelmann-MC oder Zwakkelmann-Stream in etwa so anhören wie im Gegenzug zum Beispiel Beatles-CD. Jeder Künstler scheint seinen Ort zu haben, Zwakkelmann ist der CD Typ. Vinyl oder noch schlimmer MC passen freilich zu den Künstlern, die in der Zeit veröffentlichten als man sich eben dieser Technik bediente, und zu den Künstlern, die später diese Medien nutzen, wenn sie wieder angesagt sind und um sich ggf. ein bisschen ein Teil der Angesagtheit abzuschneiden. Zwakkelmann vom Niederrhein muss nichts dergleichen: Zwakkelmann ist Jahrgang CD und Zwakkelmann muss auch niemanden beweisen, dass er angesagt ist. Zwakkelmann ist Zwakkelmann, Zwakkelmann ist Gegenwart und Zwakkelmann ist Niederrhein und somit von jedem Verdacht von Angesagtheit befreit. Zwakkelmann ist CD, gern abgespielt auf einer Kompaktanlage von Aldi-Süd. Und noch viel mehr: Zwakkelmann vereint die besten Eigenschaften einer CD: Beides ist einfach und direkt, erfordert keine besonderen Vorkenntnisse, Beides ist leicht zu lagern (Zwakkelmann findet sich immer ganz am Schluss der Sammlung) und nicht zuletzt taugt beides gelegentlich auch mal als Spiegel. Denn die erzählten Geschichten kennt man dann doch auch von sich selbst in ähnlicher Weise.

Die neue Zwakkelmann-CD heißt „Entschuldigung“ und enthält all das, 16 erdige Schlager-Punkrock-Singer-Songwriter-Stücke in gewohnter Zwakkelmann-Qualität und Einmaligkeit, denn diese musikalische Mischung zu einem eigenen Sound in Verbindung mit diesen persönlich-witzig-schrägen Geschichten kann ich weder genauer beschreiben geschweige denn Vergleichen. Zwakkelmann Supermann eben.

Schlaffke, wieso erscheinen deine Platten eigentlich immer auf CD?

Hmm, obwohl ich mit Vinyl aufgewachsen bin und die Einführung der Compactdisc für meine alte Band Schließmuskel eher negative Auswirkungen hatte, mutierte ich seltsamerweise nie zu einem richtigen Vinyl-Freak. Auch im hohen Alter nicht. Mir gehts vorrangig um die Musik und nicht um den Tonträger. Ich finde CDs auch irgendwie praktischer. Vielleicht, weil ich mittlerweile `ne Kompaktanlage habe, an die man nur schlecht `nen Plattenspieler anschließen kann. Auch hör ich viel Musik über meinen PC, auch wenn das jetzt nicht übermäßig pc (also politically correct) daher kommt. Entschuldigung, ich konnte aus dem Sammeln von Tonträgern nie so richtig `nen Kult machen. Ich hätte aber absolut nichts dagegen, wenn Zwakkelmann auch auf Vinyl erscheinen würde. Nur müsste sich erstmal `n Sponsor finden, denn größtenteils ist das `ne Geldfrage. Zumal man in der heutigen Zeit, wenn man es auf einem so erbärmlichen Level wie ich betreibt, an Tonträger-Produktionen eigentlich nur Miese macht.

Jetzt wo du deine Geliebte Z (für Zigarette) aus deinem Leben verbannt hast, müsstest du dich dann nicht eigentlich Wakkelmann nennen?

Ich brauchte einen Moment, bis ich`s kapierte. Ha, ha, ha, ich will mein Z zurück!

Du schreibst ja sehr regelmäßig sehr viele Songs. Diesmal sind es glaube ich 16 geworden. Woher weißt du wann ein Song gut genug ist? Ist das so eine „is egal, ich lass das jetzt einfach so“ Haltung oder ist es dieser berühmte oha Moment?

Ich glaub, man hat direkt im Gefühl, ob ein Song wirklich stark ist, den man gerade geschrieben hat. Aber manchmal können Lieder auch wachsen. Zum Beispiel kommt es drauf an, wie man sie im Endeffekt spielt. Ich probiere da schon viel rum. Teste die Stücke in verschiedenen Tonlagen an oder arrangiere mit meiner Bigband im Proberaum rum. Auch an den Texten feile ich bisweilen sehr lange und intensiv, bis sie mir zusagen. Texten ist teilweise echte Fleißarbeit. Ich verfüge ja mittlerweile über einen feisten Fundus an Liedern und Songideen (teilweise auch nur Fragmente), aus dem ich bei Bedarf schöpfen kann. Da is` aber auch jede Menge Müll dabei. Meist sind es jedoch eher die neuen Lieder, die veröffentlicht werden.

Außer dafür, dass du uns noch ein Butterbrot schuldest, brauchst du dich zumindest bei uns für nichts zu entschuldigen. Fehlt dir im Punkrock zu sehr Höflichkeit und gute Manieren?

`ne gewisse Höflichkeit und auch halbwegs gute Manieren find ich nicht verkehrt. Aber man muss es auch nicht überteiben. Ich sing zwar „Ja, vielleicht bin ich asozial“, aber meiner Meinung nach muss es im Punk nicht total asozial zugehen. Deshalb heißt es ja auch „…vielleicht bin ich asozial“. Ich mag es schon ein bisschen gesitteter, was nicht heißen soll, dass ich mir nicht den Arsch vollhauen, mich daneben benehmen und anderen auf die Nerven kann.

Wie oft entschuldigst du dich persönlich eigentlich so freiwillig oder gezwungen?

Da ich permanent `n schlechtes Gewissen habe, entschuldige ich mich genau 240 Mal am Tag. Das geschieht fast immer aus einem inneren Zwang heraus.

Wäre es eigentlich nicht mal so richtig niederrheinisch eine große Knibbelaktion mit dem Ziel mehr Sauberkeit und Ordnung zu starten, bei der diese Milliarden von Zwakkelmann Aufklebern entfernt werden, vielleicht als Trinkspiel im öffentlichen Raum?

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Das is` `ne jute Idee. Und für jeden abgeknibbelten Zwakkelmann-Aufkleber gibts von Schlaffke, dem Streber und Arbeitgeber, `nen Schnaps auf die Leber (schöner Reim).

Alles Gute nachträglich übrigens!!! Hast du eigentlich schöne Geschenke bekommen?

Dankeschön! Ja, da waren einige tolle Geschenke dabei. Zum Beispiel ein Kuchen in Z-Form, `ne The Who-Tasse und eine unsagbar hässliche, selbst gestrickte Schlaffke-Pudelmütze. Ein Witzbold schenkte mir außerdem `ne Helene Fischer-Biografie. Aber wirklich grandios, die John Lydon-Biografie „Anger is an energy“ von meinem Ex-Schlagwerker. Überaus köstlich, interessant und unterhaltsam, das Teil.

 Live:

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IMG_5341Das war´s schon wieder mit dem Punk im Pott 2015 – geht immer ganz schön schnell. Diesmal war das allerdings auch zum Teil selbst verschuldet. Da das Fest nach dem Fest diesmal mitten auf dem Fest lag, gab es bei einigen Leuten noch Weihnachtsfeierei. So auch bei meinem Begleiter. Das und diverse Zugausfälle und Verspätungen, haben diesmal dazu geführt, dass ich nur etwa die Hälfte der Bands mitbekommen habe. Immerhin war es die (für mich) interessantere Hälfte. Außerdem kommen zu den zwei Tagen Festival ja auch nochmal zwei obligatorische Katertage dazu, die ziehen sich dann natürlich immer wie Kaugummi und zwar wie so ein richtig gutes Kaugummi. Mit all dem Foto sortieren und Interviews schneiden wird dann insgesamt doch ein ganz schön langes Wochenende daraus. 😉 Naja, es war wie immer ein Fest und hier gibt´s jetzt endlich auch die Fotos dazu! Mini-Interviews wurden natürlich auch wieder geführt, unter anderem haben wir diesmal Die Bullen, Kotzreiz, Die Skeptiker, El Fisch, Dritte Wahl, ZSK, Sondaschule, Monsters of Liedermaching, Slime, Emscherkurve 77, Zwakkelmann, Killerpilze (ja!) und etliche andere vors Mikro bekommen. Das Ergebnis gibt´s dann samt guter Musik am 12. Januar ab 20 Uhr auf Punkrockers Radio zu hören! Neben einigen Highlights auf der Bühne (diesmal definitiv Slime, Dritte Wahl und Sondaschule) könnte im nächsten Jahr übrigens auch gut mal der Akkordeonspieler eingeladen werden. Das Konzert auf der Herrentoilette war großartig und eindeutig das Highlight vor der Bühne! 🙂 Vielen Dank nochmal an Alex und alle HelferInnen, die dieses Festival jedes Jahr möglich machen! Der nächste Termin steht übrigens auch schon: den 27. und 28.12.2016 sollte man sich schonmal vormerken! 🙂

 

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Zum Punk Im Pott mal was Besinnliches. Nachdem Annika aus Kamen als Sängerin der Ropey Shags vor doch so einigen Jahren feinen englischsprachigen Punkrock servierte, ist sie heute mit leiseren Tönen mal solo, mal mit kleinem Aufgebot als Anni Hilation’s Arms zu sehen. Wir haben sie mit unseren vier Fragen belästigt.

1. Wie bist du zum Punk gekommen?
eine chronik in sieben kapiteln.
1. Der anfang mit fünf. faszination für die äußere hülle von punks. mehr kannt ich nicht. mädchentypisch drei barbies meiner schwester frisiert. seiten ab, mitte n stück länger. kleber rein, hochgestellt, bunt gefärbt mit pelikan. Keine ahnung, wo ich das her hatte. gleicher zeitraum, kindergarten: wiederholt ärger bekommen fürs kleber schnüffeln.
2. nächster schritt, sozialkritik. um politik hab ich mich noch nicht gekümmert. zwölf jahre, „viva la muerte“ von slime als gerippte kassette von einer freundin bekommen. erste versuche, songs auf der akustikklampfe nachzuspielen und schon mal sachte mit zu singen. wizo kamen dazu. but alive. die äußere hülle wurd mit inhalt gefüllt. sozialkritik. ich mochte das. später die ersten songs auf englisch mit der „idle gossip“ von den toy dolls. mit 14 fand ich das witzig
3. dann gings erstmal weiter mit der grunge-geschichte. nirvana, pearl jam, n bisschen silverchair. gleichzeitig skatepunk. mit 15 erst mein erstes konzert, SLUP. cowboy und so, fingerkuppenkribbler. venerea warn auch groß dabei. danach immer mal wieder kleine konzerte, aber moderat. meine freunde hatten damit kaum was am hut, da war es mir nicht so selbstverständlich, guten punkrock oder fanzines kennenzulernen.
4. diesen wirklich schönen ende 70er punkrock und ursprünglichen anfang 80er hardcore hab ich erst spät kennen gelernt, durch einen freund. mit 19 oder 20. ab da kam so meine hoch-zeit. das hat mich geflasht. es war so wunderbar hymnisch, mir gings da allein um die musik und das gefühl. zu der zeit las mich in die materie ein und fands mega spannend; ich hab mich wohl gefühlt damit. und tu das immer noch. 3-4 konzerte in der woche, verschiedene länder, squats, alles ziemlich asi. aber immer liebevoll und schön.
5. die politische komponente des punk, die mich zunächst herzlich wenig interessiert hatte, packte mich ebenfalls erst ein jahr nach dem abitur. vor 13 jahren. als ich anti flag im rahmen einer donots show in paris gesehen hatte. ich verstand plötzlich, dass politik nicht nur von anzugträgern in berlin und brüssel gemacht wird, sondern dass meine eigene proaktivität dinge, die mich betreffen, zum positiven verändern kann. das war nun nicht mehr nur die faszination für die ‚andere‘ erscheinung von punks, nicht mehr nur sozialkritik, nicht mehr nur ein gefühl. das war der schlüssel zum interesse an den hintergründen von großer wirtschaftspolitik. ein jahr später stieg ich als sängerin bei den gerade neu formierten ROPEY SHAGS (77er punkrock) ein. zufall. und einige der besten zeiten, die ich hatte.

6. mittlerweile bin ich u.a. sowi-lehrerin und versuche, meine schüler schon früh an proaktives handeln heranzuführen. immer mit dem gedanken im hinterkopf, dass es das war, was sogar mich gekriegt hat. ich möchte selbstständiges denken schärfen. und selbstwirksamkeit vermitteln.
7. heut vestehe ich unter ‚punk‘ nicht mehr die „äußerliche erscheinung“, nicht mehr das „politische instrument“. am ehesten sehe ich ihn noch als „sozialkritik“. aber vor allem empfinde ich ihn als entspannendes lebensgefühl, das ich in worten nicht beschreiben und nie komplett verlieren möchte.

2. Hat das Ruhrgebiet eine bestimmte Bedeutung für dich?
ja. hier bin ich aufgewachsen. kamen liegt am rande des ruhrgebiets, ist eher ruhig und ziemlich idyllisch. aaaaber, hier hält der RE 6. und der RE 1. die zwei bringen einen in nullkommanix überall hin. zu konzerten, freunden, parties. ohne umsteigen. alles ist hier sowas wie um die ecke. als autofahrer darf man sogar ruhig mal den weg verträumen – es gibt nämlich gefühlte 1.000 autobahnausfahrten; die nächste jeweils in rund 2 km. das ruhrgebiet ist zu teilen unfassbar schäbbig und assig in den städten, gleichzeitig wunderschön in seiner natur und kultur. es hängt den großen städten etwas hinterher, was den style betrifft, aber da bin ich ganz froh drum. ich mag den ruhrpottcharme; den rauen und doch gut gemeinten ton von dicken muttis hinterm bäckereitresen, die einer bohnenstange, wie mir, versuchen, die magie der chiasamen und die kohlenhydratarmen vorteile von eiweißbrot zu erklären. ich mag schmalzstullen zu bier und herzliche ehrlichkeit von wirten in altmännerkneipen und so. gleichzeitig raubt es mir den verstand, so viel bitterness zu sehen, oft zu hören. oft bei älteren menschen. im ruhrgebiet scheint mir der altersstarrsinn weit verbreitet, deutlich mehr als etwa im norden. aber, deutlich weniger als im süden. mein ich. besonders im winter scheint es grau. aber die sonne hüllt es immer wieder in bunte, kräftige und lebhafte farben. das ist schön.

3. Verbindet Punk und Ruhrgebiet irgendetwas?
ja, für mich allein in so fern, als dass ganz viele läden in ganz vielen städten des ruhrgebiets richtig gute punkkonzerte veranstalten. im grunde sind es immer die gleichen pappenheimer, die man dann trifft, das find ich aber ganz großartig. könnten allerdings, grad auch bei neueren bands, ein paar mehr sein.
was verbindet punk und ruhrgebiet. was bedeutet punk und was bedeutet ruhrgebiet. und was davon überschneidet sich. öööh… brainstorming. dreckig, laut, unangepasst, kritisch, ehrlich, stumpf, bunt, sozial/asozial, provozierend, hedonistisch, rebellisch, nihilistisch, frisurenperfektionismus, eitelkeit, angeblich arbeiter, dilettantisch, herzensgut,… Joa. gibt verbindungen 🙂

4. Was ist für dich der “punkigste” Ort im Ruhrgebiet?
ich mag das wageni. auch wenn ich dort lang nicht mehr war, fand ich die atmosphäre dort immer gut. miniklein, oll, leckeres veganes essen, angemessene preise, top bandauswahl, sowas wien garten  vor nem fenster mit stufen als eingang, gute menschen. sonst fällt mir nicht so richtig mehr was ein. damit will ich aber nicht sagen, dass es sonst nichts gibt. clubs, die meiner meinung nach nicht so ‚punkig‘ sind, find ich ja trotzdem toll.

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wpid-wp-1446394049944.jpgAcht Jahre sind vergangen, seitdem Paranoya mit „Atmen“ mehr oder weniger ihr erstes richtiges Album veröffentlicht hatten. Erstaunlich, dass sie mit „Fragmente“ unbeirrt wieder veröffentlichen, als hätten sie einfach immer weiter gemacht.

Ich persönlich halte Paranoya für eine gemeinhin unterschätzte Band, von der ich mir durchaus mehr Präsenz gefallen lassen würde. Denn obwohl die Band immer so ratzfatz in die Deutschpunkecke geschoben wird, beeindruckt sie mich immer wieder mit ihrem absolut wiedererkennbaren Sound. Dass die eine Hälfte der Band dabei aus dem Metal kommt, ist nicht zu überhören. Damal wie heute haftet der Musik etwas brachiales, sprödes an, das gut zu den im positiven Sinne humorlosen Texte zwischen Wut und Nachdenklichkeit passt, ohne dabei musikalisch in so einem maskulinen Pathos zu Enden, der dem Metal bisweilen anhaftet.

Stattdessen weiß die Band in „Bitter“ auch keine aufbauende Antwort auf die Sinnfrage (was ich als Philosoph wiederum auch gar nicht so bedrückend finde). Bedrückend ist hingegen, dass der Song „Narren“ über rechte Biedermänner im Laufe der acht Jahre noch so viel aktueller geworden ist. Großartig ist der Text zu „Disney“, der die Traumwelt eines Utopisten oder sonst einem Lebenskünstler konterkariert, weil die Welt eben all das gar nicht hergibt: „Doch das hier ist nicht Disney.“ Kleiner Tipp: „Funktion“ kommt auch auf 45rpm ganz gut.

Herrlich auch die Aufmachung. Die Vinyl kommt in ausklappbarer Hülle mit einem starken Cover, das, wenn ich mich recht an Hendriks Worte bei Schließmuskel erinnere, aus seiner Feder stammt. Texte und CD kommen dazu. Was will man mehr außer vielleicht einen Disney-Sticker?!

Was gibt es zu kritisieren: Der Aufdruck für die A-Seite ist leider kaum als solcher zu erkennen. 😉

flyer_toodrunktowatch-goes-Pott-2015Vom 15. bis 17.10. wird die Kneipe Neuland an der Rottstraße zum Programmkino. Beim „Too drunk to watch“ Punkfilmfestival werden über die drei Tage verteilt X vollkomen unterschiedliche Filme zum Thema Punk gezeigt. Von Dokumentation bis Spielfilm, von Kuba bis ins Ruhrgebiet – das Programm ist extrem vielfältig. Und am Samstag gibt TV Smith in der Trompete gar noch ein Abschlusskonzert. Organisator Stefan hat uns ein paar Fragen beantwortet.

 

stefanWie ist es dazu gekommen, dass das „too drunk to watch“ in Bochum Station macht?

Ich hatte einfach Bock mal ein Punk-Filmfest zu machen und da ich wusste, dass es das in Berlin schon seit ein paar Jahren gibt, habe ich Kontakt zu Corny aufgenommen, der es dort ins Leben gerufen hat und jedes Jahr veranstaltet. Er war an einer Kooperation interessiert und hat mir das Logo und eine lange Filmliste zur Verfügung gestellt. Außerdem laufen die Infos auch über die Website und über die dazugehörige Facebookseite. So eine Art Franchisemodell.

Wer steckt denn dahinter?

Hinter der Ruhrgebietsausgabe stecke eigentlich nur ich. Ich mache ja sonst vor allem Radio bei punkrockers-radio. Im Neuland, wo das Festival stattfindet, veranstalte ich ab und an Akustikkonzerte. Der Laden ist optimal geeignet, um das Festival in kleinem Rahmen zu machen.

München, Kuba, Ruhrgebiet. Ist der internationale Charakter mit lokaler Erdung Teil des Konzepts?

Ein echtes Konzept steht sicherlich nicht hinter der Auswahl der Filme. Ich habe hier vor allem auf den Fundus des großen Berline Bruders zurückgegriffen. Da die Veranstaltung auf Spendenbasis läuft, gibt es auch kein Budget um Verleihgebühren zu bezahlen und haben vor allem auf DIY-Produktionen zurückgegriffen, was aber ziemlich gut passt, wie ich finde. Am Donnerstag gibt es so eine Art Bayern-Schwerpunkt und bei den Filmen am Samstag ist TV Smith, der dann später noch in der Trompete live spielen wird, das verbindende Element, da er in beiden Filmen zu sehen ist.

Wie kann man sich so einen Abend vorstellen? Gibt’s Popcorn? Darf während des Films geblödelt werden?  

Meine Vorstellung ist, dass ein paar Leute kommen, sich ein paar Bierchen trinken und alle einen lustigen Punkabend haben, der mal kein Konzert ist. Den Rest wird sich finden.

Auf welchen Film freust du dich selbst am meisten?

Am aufregendsten wird vermutlich der Film in meinem Kopf werden, wenn es dann 1 1/2 Jahre nach der Idee dann wirklich losgeht und tatsächlich Leute kommen.

http://toodrunktowatch.de/

Das komplette Programm:

D O N N E R S T A G
20:00 Uhr Chao Leh – Die Punknomaden
http://www.chaoleh-punkfilm.com/

21:30 Mia San Dageng
http://www.muenchen-punk.de/mia-san-dageng

F R E I T A G
20:00 Uhr #yourcity – Punk
http://www1.wdr.de/fernsehen/regional/hierundheute/trailer/videoyourcitypunks100_size-L.html

21:00 Uhr CubaCorLibre
http://www.youtube.com/watch?v=-eKbuxRdTJo

22:30 The Heart of Bruno Wizard
http://heartofbrunowizard.com/

S A M S T A G
20:15 Punk was my first love
https://vimeo.com/107037366

20:45 Uhr Brennende Langeweile
https://www.youtube.com/watch?v=7Cl00ul3np4

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23:00 Uhr TV Smith
https://www.facebook.com/events/440460702787991/

anschließend GOING UNDERGROUND

Was ein flottes Ding ist denn bitte die neue Sondaschule-Platte geworden? Während ich gelegentlich eher Vorwürfe höre, die neue Platte wäre super seicht und total poppig, erlebe ich das Teil vollkommen anders. Weniger Songs über Fäden, die aus Frauen hängen, auch optisch mehr Working Class. Der Opener ist für Sondaschule Verhältnisse hochpolitisch, wendet sich gegen deutsche Kanzler und ihre Panzer und gegen nichts anderes als die gefährliche Vorstellung, man könne die Welt klinisch rein sortieren und bis ins Detail steuern.

Mit Mülheim-Ruhr haben auch Sondaschule nun eine hymnische Liebeserklärung ans Ruhrgebiet „bis vor Dortmund“ im Programm, dem quasi als Kontrapunkt „Lass uns los“ gegenüber gestellt ist, in dem Fluchtgedanken aus einer heruntergekommenen Region thematisiert werden.

„Is mir egal“ zieht getragen von Bläsern dermaßen flott nach vorn, „so schön Scheiße“ offbeated vor sich hin, die alte herablassende im Ruhrgebiet gebrauchte Aufforderung „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ bekommt einen Song. „Es stinkt in dieser Stadt“ nimmt kurz das Tempo raus, bevor „Keine Liebesbriefe“ nochmal anzieht und die Platte mit „Schön kaputt“ überraschend still und leise zu Ende geht.

Für Leute, die ansonsten nur Hardcorepunk hören, ist das vielleicht zu flott und poppig. Für mich ist „Schön kaputt“ bislang die rundeste, abwechslungsreichste und hörenswerteste Platte von Sondaschule. Gerade deshalb wäre ne hübsche Vinyl doch mal ne feine Sache.

wpid-wp-1437983793031.jpeg„Danke für Punk“, „Danke fürs Bier holen“, „Danke für Alles“, „Danke für Hilfe in schwierigen Zeiten“, „Danke für den geilen Abend“, „Danke für die kalte Flasche Wasser am Morgen danach“. „Danke“ ist ein gemeinhin unterschätztes Wort, auch wenn es vielleicht nicht wirklich das punkigste Wort unserer Zeit ist, wie Zepp Oberpichler (Jimmy Keith, Schlaffke und Zepp) im Begleittext seiner neuen Platte behauptet. Denn die heißt „Danke“ und ist auch überhaupt nicht punkig. Denn ein ehrliches „Danke“ verweist auf besondere zwischenmenschliche Momente, möglicherweise auf einen Moment der Schwäche, die Einsicht, dass man ohne jemand anderen vielleicht nicht so gut dastehen würde, wie man es gerade tut, sei es weil man schlicht kein Bier in der Hand hätte, wenn es nicht jemand geholt hätte, weil man nie die Freiheit im Punkrock erlebt hätte, wenn nicht jemand damit begonnen hätte oder weil ein Freund eben da war, als man am Boden lag.

Auf diese Momente zielt auch der Zepp mit seiner neuen Platte. Nur mit der Gitarre, zehn eigenen Texten und zwei Lieblingsgedichten (Gryphius und Ernst Moritz Arndt) bewaffnet singt er Songs über das Leben und all diese besonderen Momente und Menschen. Dabei kommen dann eher flotte Songs wie „Schimmelreiter“ (zweifellos auch eine literarische Anspielung, wenn auch mit eigenem Text) oder auch sehr stille, nachdenkliche wie „Wie du bist“ heraus. In diesen Momenten erinnert Zepp manchmal an die Solosachen von Tom Liwa (Flowerpornoes).

Sowas ist immer ein schmaler Grat und vermutlich würde ich an dieser Stelle lieber nicht drüber schreiber, wenn es nicht geglückt wäre. Fernab von Kitsch klingen die Songs angenehm rau und spröde. Dass der Zepp gut texten kann, kann man nicht nur in seinem Gedichtband „Heartzland“ (übrigens in unserem liebenswerten Verlag Henselowsky Boschmann erschienen) bestaunen. So vermeidet er auch hier nebulöse Metaphernwolken, bleibt angenehm konkret und nachdenklich.

Also wie kann man diese Rezension beenden: Danke, lieber Zepp 🙂

Die CD ist über www.oberpichler.de sowie ausgewählten Fachhandel erhältlich. Digital ist sie in den einschlägigen Plattformen zu bekommen.

 

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Zum zweiten Mal dabei: Bicahunas aus Witten

In Gelsenkirchen gibt es mal wieder eine regelmäßige Punkkonzertreihe. Tobi sorgt mit seiner Punkrocksause für Kontinuität im nördlichen Ruhrgebiet.

In Gelsenkirchen ging in letzter Zeit nicht so wahnsinnig viel. Findet das ganze deshalb oder trotzdem im Spunk statt?

Ich hatte von meiner Seite im JZ Spunk in Gelsenkirchen einfach mal angefragt, ob ich ein Punkkonzert dort veranstalten könnte, da ich selbst vorab als Besucher dort Konzerte besucht hatte, und nicht all zu weit weg von da herkomme.

Wie wurde das dann zu eine Reihe, mit demnächst einem ersten kleinen Jubiläum?

Bei meiner Reihe spielen immer drei Bands für immer günstige 5 Euro Eintritt. Die Idee einer Punkrocksause-Reihe war zu Beginn gar nicht geplant. Die Sause 1 mit den Bicahunas, Rasender Stillstand und Halb11 war dann so gut besucht, mit viel positivem Feedback und Musikern aus anderen Bands im Publikum, dass es im September 2014 zur Sause 2 kam, bei der mit Stromble Fix, EKG und Earwax erneut drei Bands spielten. Daraufhin bekam ich zwei Termine von Seiten des JZ Spunk und im Januar 2015 kam es zur Sause 3 mit World Breakdown, Forever Young Viktoria und Und Mir Der Mond. Weiter geht es jetzt am 14. März mit Sause 4, bevor dann am 12. September die erste Jubiläumssause 5 steigt.

Eigentlich spielt jedes mal eine Band aus dem Ruhrgebiet. Ist das Teil des Konzepts oder ein Weg spritkosten klein zu halten?

Ich suche mir jedesmal drei Bands selbst aus, teils Bands von Bekannten, teils Bands, die ich selbst als Besucher gesehen habe und hinterher nach einem Auftritt gefragt habe. Da ich an den Wochenenden selbst viel im Ruhrgebiet unterwegs bin, ergibt sich das dann öfter, dass Bands aus dem Ruhrgebiet spielen. 

Die nächsten Sausen im JZ Spunk, Festweg 21, 45886 Gelsenkirchen
Sause 4: Fehlschuss, Spit Pink, Der Gierige Diktator
Sause 5: Duc, Bicahunas, Zwischen Den Wänden
Immer fünf Euro

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Fotos oben und unten: Birgit Hupfeld

Ist das schon die Provokation? Just eben wurde untersagt, den Theaterraum mit einem Bier zu betreten, als die Kassierer den Abend in einem Bühnenbild aus Bierkästen und dem Song „Das schlimmste ist wenn das Bier alle ist“ eröffnen. Größer werden die Skandale des Abends nicht. Es folgt ein hochvergnüglicher Theaterabend oder auch das bequemste Kassiererkonzert ever.

Kurz zur Story. Häuptling Abendwind (Uwe Rohbeck) und sein Volk leben fernab europäischer Maßstäbe von Moral und Kulinarik. Der Koch (Wölfi) bereitet hier noch Mensch zu, wenn auch fein abgeschmeckt. Als Häuptling Biberhahn (Uwe Schmieder) zu Gast ist, ist Mensch leider gerade aus. Zum Glück kommt der Europäer Arthur (Ekkehard Freye) gerade vorbei, die Tochter Atala (Julia Schubert) verguckt sich in den adretten Herren, der dann aber irgendwie auf den Teller kommt. (letztlich aber doch nicht, da waren wir aber Bier holen). Ein Stück über die gefühlte Überlegenheit des Westens, über die Durchmoralisierung des Lebens, Feminismus und und und. Durch die Zeche im Hintergrund könnte man es gar als Stück über das wilde Ruhrgebiet verstehen, das ja auch gern mal aus den ebenso schnieken wie hippen Städtchen wie München, Hamburg oder Berlin etwas herablassend belächelt wird.

Was den Abend im Besonderen so schön macht, ist die erfrischende Selbstironie aller Beteiligten. Da werden die Kassierer als Mallorca Punks beleidigt oder festgestellt, dass das Theaterpublikum doch eh nur wegen den Kassierer da ist. Gejohle im Publikum, hinter uns zischt ein Hansa.

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Umso merkwürdiger ist dann die Kritik, dass das Ganze letztlich skandalfrei über die Bühne geht, während zurecht festgestellt wird, dass Wölfis Penis außer auf ein paar Abifeiern doch eigentlich für kaum jemanden jemals ein großer Skandal war.

Wer sich statt frei von Klamotten frei von einer niemals geschürten Skandalerwartung macht, wird mit geliebten Songs im angemessenen Ambiente, flotten Dialogen, viel Humor und (wer mag) Gedanken zum Weiterdenken belohnt. Und auch das Bierchen konnte man im Verlauf des kurzweiligen Abends noch trinken. Auch hier, weder Skandal noch Provokation, sondern einfach viel Witz als Opener der Punkoper.

Termine: 21.2., 6.3., 29.3., 10.4., 26.4., 9.5., 24.5.2015